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Karl-Heinz Schmidt-Lauzemis

Autor

Mitglied in der Vereinigung deutschsprachiger Biographinnen und Biographen

epd Nr.69 vom 9.September 1978

Sorgfältig recherchiert
"Die Villa Massimo in Rom", Ein Fall deutscher Kunstförderung,
Film von Karl-Heinz Schmidt-Lauzemis und Werner Sünkenberg (SFB 3/Nordkette)

Die Villa Massimo in Rom wird innerhalb des bundesdeutschen Künstlerför- derungsprogramms als eine äußerst reputierliche Institution geschätzt. Der Rom-Preis, der alljährlich rund einem Dutzend Künstlern unter- schiedlicher Disziplinen zu einem Arbeitsaufenthalt in Rom verhilft, ist einer der wichtigsten unter den 960 Preisen, die Bund und Länder an ihre Kulturproduzenten verteilen.
Dennoch oder gerade deshalb geriet die Villa Massimo spätestens seit 1968 regelmäßig unter kritischen Beschuss. In der sommerlichen Sauregurkenzeit wurde das zum journalistischen Dauerbrenner. Denn die Forderungen nach Reformen, Konzeptänderungen oder auch nur nach liberalen Hausordnungen wurden von jedem Jahrgang, mal individuell, mal kollektiv, wiederholt. Vier Jahre gab es da nun eine Pause - und jetzt scheint alles anders, oder auch wieder nicht.Grund für die lange Pause war eine umfangreiche Renovierung der Bauten; Kostenpunkt rund vier Millionen Mark. Das Stipendiatenprogramm stagnierte derweil. Anfang Mai wurde die Villa wieder eröffnet, ein neuer Jahrgang zog ein, darunter, als prominenteste Stipendiatin, die Lyrikerin aus der DDR, Sarah Kirsch. Diesen Neubeginn nahmen Karl-Heinz Schmidt und Werner Sünkenberg zum Anlass für eine Fernsehdokumentation, die erfreulicherweise den Ist-Zustand nicht als idyllische Künstlerkolonie zeichnete, sondern mit gebührender, sachlicher Kritik diesen Fall deutscher Kunstförderung analysierte. Das SFB-Team hat nicht nur die Geschichte der Villa Massimo aufgearbeitet, es verließ auch das feine Gelände und hörte sich in der Nachbarschaft um; die Kommentare der Bewohner ("es ist leichter, in das größte Gefängnis von Rom zu kommen, als in den Park der Villa Massimo") wurden geschickt gegen die Eigendarstellungen der Direktion gesetzt ("wir haben den Park jetzt für alle geöffnet, die Leute kommen in Scharen"), Dass kein allwissender Kommentator diesen Montagen noch eine Interpretation hinterherschickte, gab dem Bericht die nötige Authentizität. Die Idee, Leute aus der Nachbarschaft zu befragen, belegte außerdem auf einsichtige Weise, was selbst wohlwollende Berichte über die Massimo (wie etwa kürzlich in der FAZ) nicht verbergen können: das totale Abgeschottetsein der Künstler hinter einer Mauer mit Stacheldraht. So kommentierte Marina, eine Bewohnerin des angrenzenden Viertels, "ich weiß nur, dass dort Jugendliche leben, die sich mit nichts beschäftigen".
Wichtiger noch als diese Bestandsanalyse der Situation der Villa in der römischen Umgebung, die durch ausführliche Interviews mit dem derzeitigen Jahrgang ergänzt wurde, war die Aufdeckung der Vergangenheit. Schmidt/Sünkenberg haben da nicht nur den Mythos vom großzügig-selbstlosen Unternehmer-Mäzen entzaubert. (Die Villa wurde dem preußischen Staat bekanntlich 1910 von Eduard Arnhold vermacht, der damals zu den zwölf bedeutendsten Steuerzahlern Berlins zählte.) Schmidt/Sünkenberg deckten zudem auf, womit er sein Geld machte, mit Kohlegruben in Schlesien und in der Rüstungsindustrie. Mit diesen Informationen wurde die Direktorin des Instituts, eine Urenkelin des Stifters konfrontiert, und wie sie waren auch die Stipendiaten einigermaßen peinlich über diese Nachricht berührt. Heute aber untersteht die Villa dem Bundesinnenministerium, und so konnte einer kommentieren "Geld stinkt nicht". Die sorgfältig recherchierte Geschichte des römischen Instituts erbrachte aber noch mehr: Staatsmänner wie der ehemalige italienische König, Victor Emanuel, Mussolini, aber auch Goebbels statteten der Villa und ihren Künstlern Besuche ab (als ehemaligen Gast haben die SFB-Filmer auch den einstigen Hitler-Favoriten, den Bildhauer Arno Breker befragt, der noch immer von Mussolini schwärmt) und so wurde durch den historischen Befund dokumentiert, was noch immer zutrifft: dass die Villa letztlich wenig zur Künstlerförderung taugt, sondern in erster Linie deutsches politischer Repräsentanz.
Dass schließlich in den diversen Gesprächen mit dem diesjährigen Jahrgang auch Positives (manchmal auch Naives) geäußert wurde, hatte in dieser Dokumentation nicht nur die Funktion, zu zeigen, dass dieser Jahrgang längst nicht so reformfreudig ist wie zum Beispiel jener von 72 (vertreten etwa durch Piwitt oder F.C.Delius), sondern auch die, dass es bei aller Kritik nicht darum gehen soll, die Villa Massimo abzuschaffen, sondern immer noch darum, das Konzept zu verändern.
                                       Daghild Bartels

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