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Karl-Heinz Schmidt-Lauzemis

Autor

Mitglied in der Vereinigung deutschsprachiger Biographinnen und Biographen

epd / Kirche und Rundfunk Nr. 34 vom 7. Mai 1977

Kreuzberger Wohnungssuche
"Schön wohnen", Hörspiel des "Theater in Kreuzberg" (RIAS/NDR)

Die vier Autoren Antje Backhaus-Starost, Erhard Backhaus. Hans-Helmut Grotjahn und Karl Heinz Schmidt-Lauzemis haben für dieses gelungene halbimprovisierte Hörspiel keinen Text geschrieben, sondern nur Informationen nach Originalstudien geliefert. Und dann trat das TIK - "Theater in Kreuzberg" im Casaleon in Aktion: Es improvisierte an verschiedenen Orten Westberlins die Geschichte einer heutigen Wohnungssuche, aufgenommen von einem RIAS-Team unter Leitung von Rainer Clute. Eigentlich müsste man nicht weniger als sechzehn Namen nennen, die alle kreativ mitgemacht haben, um diese überaus natürlich und nach "normalem" 0-Ton klingende Produktion zustandezubringen. Vor weg für alle, ausnahmslos, ein großes Lob. Es ist eine Freude, wie absolut untheatralisch, dabei aber sehr sicher in ihrer erfrischenden Jugend, diese Stimmen das alle sicherlich vertraute Alltagserlebnis "Junges Paar sucht Zwei- bis Dreizimmerwohnung zum Hörerlebnis machen.
In sieben Monaten soll ein Kind kommen, und da wird das eine Zimmer mit Kammer zu eng. In naiver Ahnungslosigkeit entschließt sich ein jung verheiratetes Paar - er Lieferfahrer, sie Friseuse -. auf die Suche nach einer neuen Wohnung zu gehen- Die bei' den müssen schnell lernen, dass die Sache keineswegs so einfach ist, als ob man bloß eine der Zeitungen voller Wohnungsanzeigen aufzuschlagen und zu telefonieren brauchte. Entweder sind die angegebenen Nummern besetzt, oder es werden 4- bis 5 000 Mark Abstand verlangt, und die hat man nicht. Unsere beiden sind - sieht man's vom Standpunkt langer meist böser einschlägiger Erfahrungen - recht ungeduldig, besonders der Mann begehrt fortwährend auf. Er empört sich über zu hohe Mieten, den überall zuletzt noch verlangten Abstand, die schließlich beim Makler auszufüllenden endlosen Fragebogen.
Nachdem sie begriffen haben, dass es schon am frühen Sonntagmorgen zu spät sein kann anzurufen, weil die Zeitungen bereits vor Mitternacht am Zoo zu haben sind geraten die beiden Neuköllner unter die Schar schon gewitzter oder auch resignierter Leidensgefährten. Diese Passagen sind hervorragend gelungen: immer neue Kurzgespräche an Telefon und in der Warteschlange, Austausch von Erfahrungen, Ratschläge und Stoßseufzer wirken unglaublich echt. Das geht natürlich aufs Konto des RIAS-Teams und des guten Schnitts von Clute.
Die Geschichte hat auch fortlaufende Entwicklung. Jetzt sind die Autoren dran; sie haben etwas erzieherisch Bezeichnendes eingebracht: die allmähliche Ansteckung durch schlechte Beispiele, die "Korrumpierung", die einreißt, wenn man ständig dasselbe erlebt. Das junge Paar hatte die eigene kleine Wohnung einer allein stehenden guten Freundin versprochen, und jetzt plötzlich verlangt der Wohnungssuchende selber Anstand. Wie soll man denn ja zu einer anderen Wohnung kommen, die auf jeden Fall Abstand kostet, wenn man auf andere Art nicht so schnell zu Geld kommt? Wenn auch seine Frau ihn in den Rücken fällt", weil sie nicht die Methoden der Vermieter übernehmen will - hier wird deutlich, auf welche Weise auch die eigentlich Anständigen zum Mitmachen gezwungen werden. Der Anpassungsprozeß geht auch auf Kosten der Wahrheitsliebe; das erwartete Kind wird schließlich verschwiegen und die Forderungen reduziert. Sehr schön ist das immer kleinlautere Verhalten dargestellt.
Zwischendurch hört man am Radio den Vortrag eines Sachverständigen, aus dem die Wohnungssuchenden erfahren: Abstand zu nehmen, ist verboten. Auch die vorkommende plötzlich" Mieterhöhung beim Auszug eines Mieters dürfte es eigentlich nicht geben. Bei wachsender Nachfrage und raffinierten Maklertricks geht aber die Ausnutzung der Notlage immer so weiter. Am Ende taucht dann der Gedanke auf: Warum tun wir Wohnungssuchenden uns denn nicht zusammen und wehren uns gemeinsam? ...
Aber dieses Wohnungsspiel ist ja gedacht für Neulinge, besonders für junge Leute Die Naivität der Protagonisten als Ausgangspunkt dient dazu, sämtliche schlechten Sitten und Gepflogenheiten im Vermietungswesen in immer härterer Steigerung anzuprangern. Deshalb stelle ich die persönliche Erfahrung zurück und wiederhole: Produktion gelungen, Effekt aussichtsreich: hoffentlich entsteht wirklich wieder eine Mieterschutzvereinigung. 
                                              Hedwig Rohde

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